c International Thomson Publishing Bonn 1995, Komma 9.9.94 Wirkungswellen im Coulombfeld Der Begriff Wirkungswellen ist nicht mehr sehr gebräuchlich. Heute sagt man Wellenfunktion oder -Funktion. Die Phase der Wellenfunktion ist aber nichts anderes als die Wirkungsfunktion (des jeweils betrachteten Zustands), die Flächen gleicher Wirkung (Phase) sind die Wellenfronten und ihre Orthogonaltrajektorien die Strahlen. Das Studium der Wirkungswellen ist also dazu geeignet, sich ein (klassisches) Bild von der -Funktion zu machen. Alle Standardsituationen, in denen sich die Wirkungsfunktion (wie in der theoretischen Mechanik) relativ einfach angeben läßt, können somit als Brückenschlag von der klassischen Physik zur Quantenphysik dienen - schließlich ist die Quantenphysik ja auch so entstanden. Eines der wichtigsten (aber mathematisch nicht mehr ganz einfachen) Beispiele ist die Bewegung im Coulombfeld, oder allgemeiner Zentralfeld. Im 1/r-Potential (potentielle Energie V = -k/r) beschreibt ein Körper der Masse m, mit der Gesamtenergie H und dem Drehimpuls L die Bahn Dabei gilt für die Exzentrizität und für den Halbparameter p Der maximale Drehimpuls ist bei negativer Gesamtenergie: Bekanntlich beschreibt die Bahngleichung in Polarkoordinaten für (H>0) Hyperbeln, für (H=0) Parabeln und für (H<0, L<=Lm) Ellipsen. Wir können die aufgestellten Beziehungen testen, indem wir zunächst die Darstellung konfokaler Ellipsen zu gegebenem H und einer Reihe von Drehimpulsen erzeugen: Interessanter ist aber die Frage, welche Wirkungswellen zur Bewegung im Coulomb-Potential gehören. Das System wird durch H und L beschrieben, es bleibt also frei und damit entsteht eine Schar von Ellipsen, die um den gemeinsamen Brennpunkt gedreht sind, z.B. Der Darstellung entnimmt man, daß die Bewegung innerhalb zweier Kreise (den Apsidenkreisen) stattfindet. Sie haben die Radien Für H > 0 ist die Bewegung nicht gebunden (eine Hyperbel): Oder wenn man nur einen Ast der Hyperbeln darstellt: Wir folgen dem Gedankengang "mögliche Bahnen sind die Orthoganaltrajektorien zu den Wellenfronten der Wirkungswellen" und suchen also die zu den Strahlen gehörigen Wellenfronten. Die charakteristische Funktion W läßt sich im Zentralfeld in einen radialen Anteil wr und einen azimuthalen Anteil wp zerlegen. Der azimuthale Anteil ist problemlos Der radiale Anteil lautet
Für die Darstellung der Iso-W-Linien (Linien gleicher Wirkung) können wir die Gleichung w=const nach phi auflösen
Die Wellenfronten sehen also so aus: Sie sollten senkrecht auf allen Ellipsenbahnen mit gleichem L und H stehen. Es scheint zu funktionieren. Auch bei Hyperbeln? Hier sind die Wellenfronten (diesmal in rot): Wir haben also die orthogonalen Kurvenscharen gefunden - und zwar direkt mit Hilfe der Wirkungsfunktion, also ohne irgend eine Differentialgleichung (Schrödingergleichung) - und können zur Darstellung der Wellen übergehen. Im ersten Schritt interessiert nur die räumliche Verteilung, die zur charakteristischen Funktion W gehört:
Und so sehen die Wellen zu Hyperbelbahnen aus: Nun können Sie im echten Maple-Worksheet experimentieren und sich folgende Fragen beantworten: Wie ändern sich die Wirkungswellen mit dem Bewegungstyp (H<0, H>0)? Was bewirkt eine Änderung des Drehimpulses? Gibt es Drehimpulse, die zu "besonderen Wirkungswellen" führen? Wie sehen die Wirkungswellen außerhalb der Apsidenkreise aus? Wie sieht der Imaginärteil aus? Wie sieht die Radialbewegung aus? (Grenzwert von w für L -> 0) Hier noch eine Anregung zum Darstellungsstil (den Sie auch im Plot ändern können): Und die Animation darf nicht fehlen:
Wenn Schrödinger das gesehen hätte! Aber er hat es ja gesehen, auch ohne Maple ... eben virtuell. Interferenz Aber, wie schon beim Wurf : die Wirkungswellen wären keine echten Wellen, wenn sie nicht interferieren könnten. Unabhängig vom Bahn- oder Wellentyp schneiden sich in jedem Punkt (außerhalb des inneren Apsidenkreises) genau zwei Bahnen bzw. Wellenfronten, die zu einer aufsteigenden und einer absteigenden Bewegung gehören. Es müssen also die zugehörigen Wellen überlagert werden. Allerdings ist bei der Superposition von "aufsteigend" und "absteigend" darauf zu achten, daß es sich um Bewegungen mit einem festen Drehsinn handelt, der durch L*phi-H*t festgelegt ist. Wir müssen also die Funktion wpm=-wr+L*phi bilden und nicht wpm=wr-L*phi, denn für die letztere hätte man Interferenz von gegenläufigen Bahnen und damit radiale Unabhängigkeit, während das Amplitudenquadrat aber azimuthal abhängig wäre. Zunächst der Plot der Iso-W-Linien
Wir kontrollieren zunächst wieder die zugehörigen Wellenfronten. a) Fronten zu Ellipsenbahnen: Fronten und Bahnen gemeinsam: b) Fronten zu Hyperbelbahnen: Fronten und Bahnen gemeinsam: Nun können wir die zugehörigen Wellen überlagern. Nachdem die Ausdrücke für die Wirkungsfunktionen aber recht umfangreich sind, wollen wir Maple die Arbeit erleichtern. Die resultierende Welle hat die die Form oder Wobei a für der Radialteil der charakteristischen Funktion steht. Dann ist das Absolutquadrat: Das läßt sich so vereinfachen:
Oder: Oder Das ist ein bemerkenswertes Ergebnis! Die azimuthale Abhängigkeit kommt im Amplitudenquadrat nicht mehr vor und die Superposition der aufsteigenden und der absteigenden Wellen läßt sich somit stark vereinfachen. Und so sieht das Ergebnis aus: Das ist also schon so etwas wie die Radialverteilung für den s-Zustand. Aber anstatt unsere "Atomphysik mit einfachen Mitteln" in quantitativer Hinsicht zu überfordern, wollen wir noch ein bißchen Heuristik treiben und die Wellen laufen lassen. Damit man bei der Rotation auch etwas sieht, wählen wir L =1 (p-Elektron): Wie ändert sich das Verhalten des Elektrons mit L und H? So sieht z.B. ein ungebundener Zustand aus (jedenfalls ein Ausschnitt):
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