Der Quantensprung

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In der frühen Quantenphysik verstand man unter einem "Quantensprung" den plötzlichen Wechsel eines Elektrons (blau) von einer Bohrschen Bahn um den Atomkern (rot) auf eine andere. Dabei sollte der Betrag der Energiedifferenz z.B. in Form eines Photons (grün) emittiert oder absorbiert werden.

Obwohl bei diesem hypothetischen Vorgang, der rein zufällig abläuft, verschwindend kleine Energiebeträge (etwa 10^(-19)Joule) ausgetauscht werden, wird heutzutage der "Quantensprung" in Erfolgsmeldungen gerne verwendet, um einen "riesigen Fortschritt" zu verkünden, der durch gezielte Maßnahmen in kurzer Zeit erreicht wurde.

In der Physik wird "der Quantensprung" nicht mehr verwendet: Schon im letzten Jahrhundert war vielen Theoretikern klar, dass die Bohrschen Postulate und die "Quantenspringerei" (Schrödinger) nur ein grobes Modell atomarer Vorgänge sind. Und heutige Experimentiertechnik kann diese Vorgänge nun so weit zeitlich auflösen (Attosekunden), dass sie kontinuierlich und nicht sprunghaft erscheinen.
Quantensprung

Aus aktuellem Anlass (März 2020): Die mathematische Beschreibung atomarer Übergänge (Systeme mit zwei Zuständen) verwendet Systeme von Differentialgleichungen, die eng verwandt sind mit "dynamischen Systemen", z.B. SIR-Modell in Corona-Zeiten.

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Neues Experiment: In dem Anfang Juni 2019 veröffentlichten Artikel "To catch and reverse a quantum jump mid-flight", wird experimentell nachgewiesen, dass ein atomarer Übergang kontinuierlich und deterministisch abläuft (zumindest in einem künstlichen Atom). Die theoretische Behandlung erfolgt mit "Quantentrajektorien" und führt im Endeffekt auf das gleiche Ergebnis wie im Logistischen Modell vorgeschlagen.

Man redet heute oft vom Quantensprung. Vor allem Politiker und Esoteriker wollen damit sagen, dass es sich dabei um etwas ganz Besonderes handelt. Für die Milliarden von Milliarden von Atomen des Universums ist der Quantensprung aber etwas ganz Normales (jedenfalls im Bohrschen Atommodell). Sie absorbieren ein Photon...




[Maple Plot]
Zeitlupe... und emittieren es wieder. Ob und wann das geschieht, bleibt dem puren Zufall überlassen, hat also weder Ursache noch Ziel.

Also: Wenn ein schwarzes Atom ein rotes Photon absorbiert, wird es rot. Und wenn ihm dieser Zustand nicht gefällt, wird es wieder schwarz. Alles ganz spontan. (Nun ja - so spontan auch wieder nicht, das Vakuum muss sich an diesem Übergang schon beteiligen :-)).

Wenn man das Atom mit seinem Photon im Vakuum einsperrt, passieren lustige Dinge:
Der unterbrochene Quantensprung!

Was findet man mit  Google zum Quantensprung?
"Quantensprung ist ein Begriff aus der Quantenphysik, der im New-Age-Jargon als Metapher für eine radikale Veränderung im Denken oder eine sprunghafte Bewusstseinsentwicklung verwendet wird. Die Tatsache, dass ein Quantensprung möglich ist, heißt nicht automatisch, dass er auch stattfinden muss. Dazu müssen eine genügend große Anzahl von Menschen bereit sein, die neuen Möglichkeiten anzunehmen und auszuschöpfen. Die Freiheit der Entscheidung liegt bei jedem Einzelnen."
Oder einfach:  "Ein Quantensprung ist gelungen" (Kulturhofrat Dr. M. G.)! 

Liebe Leser, ich freue mich, dass dieser Artikel so oft gelesen wird. Aber den Quantensprung gibt es nicht in der realen Welt!

Was nun?

Die Wortschöpfung (oder -hülse?) "Quantensprung" entstand in den frühen Zeiten der Quantenphysik, um Problemen bei Rechenverfahren der Quantentheorie einen Namen zu geben. Mehr ist eigentlich nicht - oder nur mit Ironie - zu sagen.
Dass sich mittlerweile im Rauschen des Blätterwalds die Erkenntnis durchsetzt, dass der Quantensprung nicht sehr groß sein kann und auch nicht instantan erfolgt, stimmt mich hoffnungsvoll. Vielleicht führt diese Entwicklung ja zur endgültigen Abschaffung des Quantensprungs?

Wie schon Schrödinger 1952 sagte: "Das Ablassen von der Theorie der Quantensprünge, die mir persönlich von Jahr zu Jahr unannehmbarer erscheinen, hat nun freilich erhebliche Konsequenzen." Oder: "Noch viel tiefer verwurzelt ist die Vorstellung von den sprunghaften Übergängen - den „Quantensprüngen“ - wenigstens nach den Worten und Redewendungen, die sich stehend eingebürgert haben. Allerdings in einer sehr verklausulierten Fachsprache, deren gutbürgerlicher Sinn oft sehr schwer zu erfassen ist. Beispielsweise gehört zum ständigen Vokabular die sogenannte Übergangswahrscheinlichkeit oder „Sprungwahrscheinlichkeit“. Man kann aber doch von der Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses nur dann reden, wenn man denkt, dass es auch zuweilen wirklich eintritt. Und in diesem Falle hier, da man von Zwischenzuständen bei diesen Überlegungen dann nichts wissen will, so muss der Übergang wohl ein plötzlicher sein. Denn er könnte, wenn er Zeit gebrauchte, durch eine unvorhergesehene Störung in der Hälfte unterbrochen werden, und dann wüsste man überhaupt gar nicht, woran man ist. Die angeblich scharfe und fundamentale Begriffsbildung bekäme ein Loch."

Viel Spaß mit

"Noch ein paar Anmerkungen zum Quantensprung. © Michael Komma 1995"

Leibniz war sich sicher: "Natura non facit saltus" (die Natur macht keine Sprünge - wie schon von Aristoteles vermutet) und in dieser Tradition war sich Einstein ebenso sicher, dass "Gott nicht würfelt". Alles ist kontinuierlich und verläuft kontinuierlich und kausal. In der klassischen Physik werden Zustände und Änderungen durch stetige und differenzierbare Funktionen beschrieben - bis hinein in infinitesimal kleine Raumgebiete und Zeitabschnitte. Die Idee des Kontinuums und ihre überwältigend erfolgreiche Anwendung in der Infinitesimalrechnung (Leibniz und Newton) zusammen mit der festen Überzeugung, dass jede noch so kleine Ursache auch eine beliebig kleine Wirkung hervorruft und nichts dem Zufall überlassen ist, prägten das Weltbild der klassischen Physik.

So gesehen waren Demokrits Atome kein Thema mehr, denn alles war ja beliebig oft teilbar - zumindest in Gedanken. Doch dann kam Planck mit seinem "Wirkungsquantum" (und Einstein war so genial das ernst zu nehmen). Warum hatte man das nicht schon früher (z.B. zu Demokrits Zeiten) entdeckt? Das Wirkungsquantum ist unvorstellbar klein! Verglichen mit Wirkungen unserer Alltagswelt beträgt es nur 1/10000000000000000000000000000000000 oder 10^(-34) Wirkungseinheiten. Wenn die Natur also Sprünge macht, dann macht sie grundsätzlich nur ganz kleine Sprünge und es gibt bis heute keine "klassische Erklärung" dafür (und es wird sie wohl nie geben). Warum bewegt sich dann überhaupt etwas in unserer klassischen Welt? Weil es unvorstellbar viele Teilchen gibt!

Weshalb Redner und Werbeagenturen trotzdem immer wieder den Quantensprung missbrauchen, z.B.: "So einen Sprung nach vorn gab es noch nie. Ich würde sogar von einem Quantensprung sprechen. Das sind erdbebenartige Änderungen!", lässt sich allerdings ganz klassisch erklären: Man will mit einem unbekannten Begriff Aufsehen erregen - ein ziemlich sicheres Indiz dafür, dass jemand seine Wirkung total überschätzt.

Was bedenklicher ist: Selbst der Duden fällt auf diese Masche herein. Aber vielleicht verwechselt man dort ja den Quantensprung mit dem 'dialektischen Sprung' oder 'Qualitätssprung' (Hegel und Engels), nach dem Motto "Irgendwann schlägt Quantität in Qualität um".

Und was hat das Ganze mit dem Vakuum zu tun? Im Vakuum (der Quantenelektrodynamik) tummeln sich sehr viele virtuelle Teilchen. Durch sie werden Quantensprünge der realen Teilchen induziert. Aber ich möchte jetzt die Analogie zur real existierenden Politik nicht weiter strapazieren (z.B.: Angeber aller Länder vereinigt euch?), zumal es den Quantensprung nicht wirklich gibt...

Doch nun wird es ernst:

'Moderne Physik mit Maple komma@oe.uni-tuebingen.de

© Dr. Michael Komma (VGWORT)

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