Korrespondenzprinzip

Bohr oder Schrödinger?

Im Bohrschen Atommodell laufen Elektronen auf Bahnen um den Kern, die sich mit den Gesetzen der klassischen Physik wie die Bahnen von Planeten berechnen lassen  (Radius, Umlaufdauer, Energie, Impuls). Im Gegensatz zur klassischen Physik kann sich das Elektron aber nur auf bestimmten Bahnen aufhalten, auf denen es entgegen den Aussagen der klassischen Elektrodynamik keine Strahlung abgibt ("stationäre Zustände"). Nur beim Übergang von einer Bahn zur anderen soll die Strahlung in einem spontanen Emissionsakt (Einsteins "Quantensprung") als Photon abgegeben oder aufgenommen werden. Andererseits müssen sich für große Quantenzahlen die Elektronen auch annähernd klassisch verhalten: Wenn der Bahnradius genügend groß wird, ist auch ein Atom eine "klassische Ringantenne" (s.u.), genauer gesagt ein rotierender Dipol.

Schrödinger konnte diese Art der Quantelung in mehrfacher Hinsicht nie akzeptieren:
1. Weder Elektronen noch Photonen sind punktförmige Teilchen, die sich in "stationären Zuständen" aufhalten und deren Auftreten oder Verschwinden alleine durch "Übergangswahrscheinlichkeiten" bestimmt ist.
2. Alle (ehemals klassischen) Teilchen lassen sich durch Wellenfunktionen und ihre Überlagerung beschreiben.
3. Auch im mikroskopischen Maßstab (Atom) gibt es eine permanente Dynamik: Das Elektron ist nicht in "stationären Zuständen eingefroren", sondern hält sich die meiste Zeit in den von der orthodoxen Quantenphysik "verbotenen Zwischenzuständen" auf. Die "Lebensdauer" eines "stationären Zustandes" ist nichts anderes als die Dauer der Emission oder Absorption von Strahlung. Und weil bei großen Bahnradien die Beschleunigung des Elektrons vergleichsweise klein ist, ist auch die abgestrahlte Leistung klein und die Überlagerung benachbarter Zustände "lebt" länger als bei kleinen Quantenzahlen.

Inzwischen hat man gelernt, mit einzelnen Atomen zu experimentieren. Darüber hinaus können die realen Experimente mit einem CAS (z.B. Maple) visualisiert werden:

In den folgenden Bildern ist die Dynamik eines kreisförmigen Rydbergatoms dargestellt. Diese Dynamik wird nach Schrödinger durch die Überlagerung von "stationären Zuständen" mit zeitlich veränderlichem Gewicht beschrieben.


Im "reinen und stationären Zustand" n,l,m = 51,50,50 hat dieser Zustand das Gewicht 1 und alle anderen Zustände das Gewicht 0. Berechnet man die Dichte dieses Zustands und stellt sie durch Flächen gleicher Dichte dar, so ist keine zeitliche Änderung zu sehen. Das Elektron ist für alle Zeiten auf einem Kreis zu finden (violett), aber auch noch etwas daneben (mit abnehmender Wahrscheinlichkeit von blau - gelb - orange bis rot). Um die Schalenstruktur sichtbar zu machen, ist der Ring nur in der unteren Hälfte (Polarwinkel) dargestellt und ein Sektor im Azimut ausgeschnitten.

In einem stationären Zustand ist keine Bewegung zu sehen. Sobald aber ein weiterer "stationärer Zustand" (hier n,l,m = 50,49,49)  überlagert wird, bewegt sich etwas, auch wenn das Gewicht des zweiten Zustandes nur 1/5000 beträgt
(die Summe der Gewichte ist 1).

Bei einem Gewicht von 1/1000 ist die Bewegung schon deutlich zu sehen.

Gewicht 1/4: Das Elektron nimmt Gestalt an!

Bei einer Überlagerung der beiden Zustände mit gleichem Gewicht gibt es eine Stelle, an der beide Bahnen zu sehen sind (rote Schalen).

Das Elektron hat den angeregten Zustand zu 3/4 verlassen und nähert sich dem "Grundzustand".

Der "stationäre Zustand" n,l,m = 50,49,49 ist erreicht.


Verändert man die Gewichte der beiden Zustände kontinuierlich, so kann man den Übergang des Elektrons darstellen (hier n,l,m = 50,49,49 -> n,l,m = 51,50,50). Der Sprung entsteht durch die Wiederholung des Films: den Quantensprung gibt es wirklich nicht!
Ergänzung 2012: Diese Animation wurde 2005 erstellt. Inzwischen verwendet man Rydbergatome als mikroskopische Antennen, um einzelne Photonen nachzuweisen, ohne sie zu absorbieren (Nobelpreis 2012).

Daten: Die Frequenz eines stationären Zustandes liegt für n = 1 (und Z = 1) bei 3*10^15Hz, also für n = 50 bei 1THz. Die Frequenz des Übergangs n = 50 <-> n = 51 liegt bei 50GHz. Die Filme zur Überlagerung der Zustände mit zeitlich konstanten Gewichten bestehen aus 20 Bildern mit der Periode 1/50GHz.  Der letzte Film (Übergang = zeitlich veränderte Gewichte der überlagerten Zustände) läuft über eine Dauer von 6 dieser Perioden mit 10 Bildern pro Periode (stroboskopisch).

Ringantenne" steht in Anführungszeichen, weil es sich dabei nicht um einen zu einem Ring gebogenen Faltdipol handelt, der mit Wechselspannung betrieben wird. Um die Strahlungscharakteristik eines umlaufenden Elektrons zu erhalten, müsste man zwei zu einander senkrecht stehende Dipolantennen mit 90° Phasenverschiebung betreiben.

'Moderne Physik mit Maple'

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