Pädagogin – Autorin – Korsika-Expertin
Es war Liebe auf den ersten Blick, als sie vom Festland her weit draußen im Mittelmeer die Insel erblickte. “Dort werde ich einmal hinfahren”, nahm sich Lotte Komma vor und wanderte fünf Jahre später mit einer Freundin durch Korsika. Das war 1937, sie hieß noch Charlotte Scholze und machte mit Rucksack und Kamera auf die Inselbewohner einen befremdlichen Eindruck. Doch das hat sich längst geändert. Nicht zuletzt, weil bereits 1958 im Verlag Kurt Schroeder ein Reiseführer erschien, in dem Frau Dr. Komma nicht nur die Schönheit der Insel pries, sondern auch dem Reiselustigen praktische Tips an die Hand gab.
Am 16. 09. 1910 wurde Lotte in München geboren und wuchs im nordböhmischen Reichenberg, der Heimat ihres Vaters, auf. Dank der Aufgeschlossenheit und Vielseitigkeit ihrer Eltern (der Vater, Architekt: musik-, kunst- und naturliebend; die Mutter: Kunst-, Gesangs- und Sprachstudium) verlebte sie eine sehr glückliche Kindheit und Jugend. Sicher spielte die frankophile Denkweise der Mutter eine Rolle bei der Wahl ihrer Studienfächer Romanistik und Slawistik an der deutschen Universität in Prag. Das Thema ihrer Doktorarbeit: “Der Einfluß Dostojevskijs auf André Gide”. Einen Studienaufenthalt in Paris nutzte die 24-jährige zu einem persönlichen Interview mit dem Schriftsteller, das ihr unvergessen blieb.
1935 trat sie in den Schuldienst ein und heiratete 1940 Dr. Karl Michael Komma, den sie noch von ihrer Studienzeit her kannte. 1945 wurde die Familie durch die Vertreibung getrennt. Frau Komma gelangte mit ihren beiden Töchtern Sibylle und Barbara über ein UNO-Lager, ihr Mann auf Schleichwegen zu Fuß in den Westen. Im bayrischen Wallerstein fanden sich alle nach 5 Monaten bei Verwandten wieder. Hier wurde 1947 der Sohn Michael geboren.
Da im benachbarten württembergischen Bopfingen am Ipf Lehrermangel herrschte, fand Lotte Komma Gelegenheit, wieder zu unterrichten, “sogar in Fächern, die ich nicht einmal studiert hatte!” Schon 1951 organisierte sie einen Austausch zwischen deutschen und französischen Schülern sowie Studienreisen für Frankreichliebhaber, für die sie einen privaten französischen Arbeitskreis gegründet hatte. Material für Einführungsvorträge sowie finanzielle Unterstützung für ihre Reisen erhielt sie sowohl vom Institut Francais in Stuttgart als auch vom Amtlichen Französischen Verkehrsbüro in Frankfurt.
Durch ihre vielen Reisen, über die sie bei Merian und in anderen Zeitschriften schrieb, wurde sie zur exzellenten Frankreichkennerin. In Anerkennung ihrer Verdienste um den deutsch-französischen Kulturaustausch und die deutsch-französische Verständigung wurde Frau Dr. Komma im Jahr 1973 mit dem Orden “Palmes Académiques” ausgezeichnet.
Nachdem ihr Mann einem Ruf an die Musikhochschule Stuttgart gefolgt war, zog die Familie 1954 nach Reutlingen. “Hier schloss sich der Kreis”, meint Frau Komma, denn ihr Großvater mütterlicherseits stammte aus Biberach.
Mehrere Jahre unterrichtete Lotte Komma an Reutlinger Schulen Französisch und Deutsch, drei Jahre an der Wirtschaftsoberschule und von 1959-1969 am Friedrich-List-Gymnasium. Noch heute (2013) erinnert sich eine Reihe von “Ehemaligen” an sie in freundschaftlicher Verbindung. Auch an der Volkshochschule gab sie Sprachkurse und hielt zahlreiche Lichtbild-Vorträge über französische Landschaften.
Im Reutlinger Jugendbuchverlag Enßlin & Laiblin erschien 1955 ihr erstes Buch über Korsika, dem vier weitere Korsika-Bände in anderen Verlagen folgten. Der Eingangs erwähnte Reiseführer erlebte 1990 durch den Bruckmann Verlag seine sechste, neu gestaltete Auflage, von der Presse einhellig mit großem Lob bedacht.
Noch mit über 80 Jahren hatte Charlotte Komma Zukunftspläne, nämlich eine Herausgabe korsischer Sagen und Märchen sowie einer überarbeiteten Fassung ihrer Dissertation. Leider ließ ihr Gesundheitszustand das nicht mehr zu. Sie starb kurz vor ihrem 89. Geburtstag am 12. 09. 1999.
[In Anlehnung an einen Artikel aus “Menschen unserer Zeit aus Reutlingen”, 1991]